Vom Traumjob zur Kündigung in nur 12 Monaten

Der Weg zum Traumjob ist mit Hürden gepflastert. Das Phänomen Kündigung nach nur 12 Monaten lässt sich vermeiden. Weniger Frust auf beiden Seiten der Arbeitswelt muss kein Wunschdenken bleiben.

Der Weg zum Traumjob ist mit Hürden gepflastert

Ich bin Mutter von zwei Kindern, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Die Erstgeborene ist eine reflektierte Realistin und dennoch hat sie eine Menge Träume. Ein Traum handelt von einem Job als Physiotherapeutin. Auf dem Weg zum Traumjob gibt es im realen Leben einige Hürden zu meistern. Davon lässt sich die Erstgeborene nicht abschrecken.

Sie ist bereit, sich dafür anzustrengen, denn sie weiß … „nur durch ein bestimmtes Maß an Anstrengungsbereitschaft und Motivation können Leistungen erbracht werden. Wesentlich ist dabei der Schritt von der Anstrengungsbereitschaft zur Anstrengungsrealisierung,… Dabei ist es wichtig, sich konkrete Ziele zu setzen, die erreichbar sind,… wobei eine Aufgabe ein mittelschweres Ziel haben sollte, das fordernd, aber nicht über- oder unterfordernd ist. Realistische Aufgabenstellungen wirken besonders motivierend, während ein zu leichtes Ziel langweilen und ein zu schwierig erreichbares Ziel Menschen entmutigen oder frustrieren kann. (Stangl, 2022 https://lexikon.stangl.eu/32915/anstrengungsbereitschaft)

Hürde Nr. 1 – Matura abschließen

Für den Traumjob der Erstgeborenen braucht es eine Berufsreifeprüfung sprich Matura. Die Schulzeit als ganzes ist verdammt lange. 12 Jahre lang wechseln sich Lernzeit und Ferienzeit ab. Dazwischen wächst das Kind zu einer Erwachsenen heran und hat uns immer von Schulproblemen verschont. Sie schließt die Gymnasialzeit mit ausgezeichneter Matura ab. Aber nun steht in Sichtweite eine noch viel größere Hürde – es geht um einen der heiß begehrten Studienplätze für das FH Studium.

Hürde Nr. 2 – Studienzugangsprüfung schaffen

Für den Traumberuf Physiotherapeut:in stehen pro Studiengang knapp 130 Studienplätze in Wien und etwas mehr als 50 Studienplätze in St. Pölten pro Studiengang zur Verfügung. Dem gegenüber stehen mehr als 1000 Bewerber:innen. Die Erstgeborene bleibt Realistin, ist weiterhin bereit sich anzustregen und meldet sich in beiden Bundesländern für die Studienzugangsgprüfung an. Das ist erlaubt. Erlaubt ist auch, bei erfolgreicher Absolvierung in beiden Bundesländern, zu wählen, in welchem Bundesland man studieren möchte. Wir können es kaum glauben, sie schafft die Studienzugangsprüfung an beiden FHs und entscheidet sich für Wien. In St. Pölten wird eine/r der Studierenden auf der Warteliste das Glück nicht fassen können, nachgerückt zu sein und doch noch einen der 50 Studienplätze ergattert zu haben.

Hürde Nr.3 – Unentgeltliche Praktikumsplätze finden

1175 unentgeltliche Praktikumsstunden sind ab dem 2. Semster bis zum Abschluss zu absolvieren und pflastern den Weg zum Traumjob. Eintausendeinhundertfünfundsiebizig Stunden arbeiten ohne Lohn, das entspricht 37 Arbeitswochen. Die Liste der Arbeitgeber für die vorgeschriebenen Praktikumsstunden ist sympathisch lang, die Anzahl der Plätze überschaubar, der Andrang groß. Der erste Praktikumseinsatz findet in einem Geriatriepflegeheim statt. Die Erstgeborene mit ihren gerade mal 20 Jahren gibt ihr Bestes und sieht jedem weiteren Praktikum mit großem Interesse entgegen.

Überraschnungshürde Corona

Auf den Weg zum Abschluss drängt sich Corona noch dazwischen. Online studieren ist zwar langweilig, für den Wissensaufbau klappt es aber ganz gut. Das Finden von Praktikumsplätzen verschärft sich allerdings. Vereinbarte Praktika müssen verschoben werden und die Sorge, alles in 6 Semester Studienzeit unterzubringen, steigt.

Nach dem Studium ist vor dem Traumjob

Gegen Ende der Studienzeit dreht sich einiges um die Bachelorarbeit und die letzten unentgeltlichen Arbeitsstunden. Die Anstrengungen haben sich gelohnt. Die Bachelorarbeit ist bestens benotet und die Bachelorprüfung erfolgreich abgelegt. Corona vereitelt zwar eine gebührende Abschlussfeier, aber da sind wir schon auf dem Weg in den Urlaub. Die Pause zwischen Studiumende und Jobanfang muss sein. Dennoch, die Fühler für den Traumjob sind schon ausgestreckt und erste Bewerbungen an Wunscharbeitgeber werden nahtlos verschickt. Die Bachelor-Absolventin will endlich für Lohn arbeiten. Ein Masterstudium kann warten. Ich versteh sie nur all zu gut.

Die Suche nach dem Traumjob beginnt

Die Erstgeborene hat großes Interesse an der Pädiatrie und findet eine einzige ausgeschriebene Stelle in einem Wiener Krankenhaus. Schnell ist klar, es wird ein/e Physio mit Praxis gesucht. Zwar 1175 Praxisstunden, freilich nur wenige in der Pädiatrie, aber wie erlangt man die gewünschte Praxis, wenn offene Stellen nur für Erfahrene ausgeschrieben werden? Hier geht es den Physios nicht anders als allen anderen Jobsuchenden. Eine kleine Traumblase platzt, und weiter geht es mit der Suche nach einem Arbeitgeber, der für eine gute praktische Lernerfahrung sorgen kann. Und einige Wochen später schafft die Erstgeborene den Sprung in die Arbeitswelt. Sie ist so voll Motivation und Begeisterung, dass mein Mutterherz und mein Personalistenherz nur so hüpfen. Sich als Mutter in der Rolle der professionellen Karriereberaterin und Business-Coach rauszuhalten, ist für mich eine krasse Anstrengung.

Was macht Arbeitgeber zu Wunscharbeitgebern?

In 3 Kategorien können sich Arbeitgeber von Wunscharbeitgebern abheben.

In der Kategorie attraktiver Arbeitsplatz geht es um: gute Erreichbarkeit des Standortes mit öffentlichen Verkehrmitteln, einen gut ausgestatteten Arbeitsplatz in Bezug auf Arbeitsmittel und im Fall der Physios auch um praktische und coole Arbeitskleidung, leistbare Essensverpflegung und ein marktübliches Gehalt. Die Arbeitszeiten für Physios sind fix und häufig auf Teilzeit ausgerichtet. Warum denn das, frag ich. Die Antwort ist spannend: es wird davon ausgegangen, dass Physios auch selbstständig arbeiten wollen. Die Physios haben also eine gute Auswahl an Teilzeitstellen, das sollte ein Plus sein. Das mit der Selbstständigkeit ist eine Chance und eröffnet ein zusätzliches Kapitel, das es zu meistern gilt.

In der Kategorie Arbeitsklima steht und fällt alles mit den Führungskräften und dem Wertekodex: eine gut organisierte (Physio-) Teamleiterin, ansprechbare Führungskräfte, regelmäßiger Informationsaustausch, da und dort ein wenig Socializing und Feedback zu den erbrachten Leistungen.

In der Kategorie Arbeitskompetenzentwicklung: eine fundierte Einschulung für die jeweilige Funktion und Rolle. Das Kennenlernen des Gesamtunternehmens und somit das Verstehen, wie die Gesamtleistung des Betriebes zustande kommt und welche Ziele angestrebt werden. Und dann wären da noch die Entwicklungsangebote – Lernen, Lernen, Lernen und Wachsen. Das Motto: Unlock my full potential.

Die Erstgeborene ist keine, die überzogene Forderungen stellt. Im Gegenteil, sie lebt das Prinzip vom gegenseitigen Geben zum Eigen- und Gemeinwohl. Und weil der Arbeitsgeber obiges verspricht, ist der Jobstart äußerst vielversprechend.

Nach 6 Monaten zeigt der Traumjob erste Risse

https://www.bei-training.com/leistungszyklus-phasen-im-arbeitsleben

Nach 6 Monaten stellt sich die erste Ernüchterung ein. Die Erstgeborene realisiert in dieser Phase (siehe Bild Phase 2), wie bemüht die Teamleiterin ist, alles zusammenzuhalten und der Rest der Führungskräfte sich von Zusammenarbeit fernhält. Die Einbettung in das große Ganze bleibt aus und das Zusammenwirken von Arzt – Patient – Physio findet nur zaghaft statt. Der Kit ist das tolle Teamklima unter den Physios und die zufriedenstellende Arbeit mit den Klient:innen. Dass die Erstgeborene eine Realistin ist, hab ich schon erwähnt, oder?

Nach weiteren 6 Monaten kommt die Kündigung

Der am Arbeitsmarkt oft zitierte Attraktivitätsfaktor Flexibilität ist eine einseitige Forderung. Der laufende Wechsel der Kolleg:innen und die ewige Unterbesetzung verkürzen die Zeiten mit den Klient:innen. Nach weiteren 6 Monaten ist der Kit Teamklima und zufriedenstellende Arbeit mit den Klient:innen vertrocknet. Die Jungphysio schaut sich nur ein wenig um und hat im Handumdrehen ein neues Jobangebot. Sie kündigt.  Der neue Arbeitgeber beschreibt und präsentiert sich erwartungsfroh. Jetzt müssen die Erwartungen aber auch wirklich erfüllt werden.

Der neue Job könnte der Traumjob werden

Der Job wird dann zum Traumjob, wenn vom Arbeitgeber schon parallel zur unausweichlichen ersten Ernüchterung alles getan wird, um die Entwicklung und das Wachstum zu fördern und so den Aufstieg (Phase 3) zu ermöglichen. Ich will fest daran glauben, dass die Erstgeborene ihren Traum vom Traumjob im realen Leben leben kann.

 

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